# Radio Irrtum 2024/03 - Bandschleichen schleifen Das Band läuft, Tatsache - und so können wir endlich starten mit... “Radio Irrtum!”. Mein Name ist Herr Irrtum! Und all das spielt auf den elektromagnetisch exakt gepulsten Frequenzen von Alex Berlin auf 91 NULL bzw. DAB+ auf K7D und natürlich im international Stream. Was gleich alles in dieser Sendung passieren wird, erzähle ich Euch nach dem ersten Track und der kommt von ↓↓↓ ## 01\. Blushing: Tamagotchi / Sugarcoat (Album preview) Shoegazing Deampop mit der gewissen Prise feinen End-80er UK-Indiepops - das waren Blushing aus Texas mit Tamagotchi aus Ihrem erst am 3. Mai erscheinenden Album “Sugarcoat”. Seit 2017 gibt es sie, zwei Pärchen bilden diese Band, und wenn sie so weiter machen, würde ICH mich ja schon mal sehr freuen - mir gefällt nämlich dieser Sound sehr gut. Aber Pärchen und das 21. Jahrhundert… mir schwant da nichts Gutes. Vielleicht aber sollte ich weniger pessimistisch sein und Euch erstmal ganz optimistisch erklären, was ich Euch noch zu servieren gedenke in dieser Sendung \[Tellerrand\] mit Herrn Irrtum! am Mikrofon. Und es gibt jetzt hier in dieser Stunde… * Tanzbare idm-Elektronik aus Wuppertal * Nujazz Beats aus Nu York ;) * Bassmusik in einem Livedrum-Orient-Kontext * Slow experimental ambient Bass aus Frankreich * KrautTechnoides aus Kiev * Tapeloopmusik aus London * verspielt Experimentellelektronisches aus Dresden * hefty Hardcore, ebenfalls aus Dresden * experimental Rock aus Los Angeles * imaginäre Filmmusik * alternative Songwriter Kram aus Liverpool Und weil das alles noch nicht ausreicht, hören wir im Background vorab in das neue Album von Uniri aus London rein. Infinite Reflections heißt es und ich würde eigentlich SO GERN ein Stück daraus direkt spielen, aber die Zeit reicht einfach nicht. Außer für die folgende Handvoll Sekunden… Gut - aber als nächstes machen wir mal Halt in Wuppertal und hören von da einen recht elektronischen ↓↓↓ ## 02\. acidgray: Clockwork Orange / System Gray EP (EP, obviously) ↑↑↑ war das, und dieser Herr aus Wuppertal hat sich daheim einen regelrechten Synthesizer-Park aufgebaut, mit allem, was seit den 2000ern unter Freaks Rang und Namen hat. Die ganze Elektron-Palette ist dabei, dazu kommen Soma-Maschinen und mehr, Tape-Echos und andere wertvolle Effekte und ein Riesen-Eurorack Modularsystem noch obendrauf. Ihr wisst es nun schon, er kauft das das Zeug nicht nur, er arbeitet damit auch – und zwar weitgehend DAWless, also ohne Computer. Zudem nimmt er all das durchaus auch mal auf einer echten Revox Real-2-Real Bandmaschine auf, des guten Klanges willen. Den Track, den Ihr gerade gehört habt, hat er praktisch in einem Take aufgenommen, ja - Ihr könnt das Stück “Clockwork Orange” von Acidgray auch auf Youtube finden und dort ebendiese Live-Performance direkt genießen. Außerdem, wenn Ihr ihn auf Bandcamp findet, - noch sind 6 Musikkassetten davon zu haben, wenn Ihr auf echte physische Medien steht - der Kauf lohnt sich! Der nächste Künstler aus New York hat einen Namen, der Ähnliches erwarten lässt, aber da kommt tatsächlich was völlig anderes: Hier ist ↓↓↓ ## 03. Midi Neutron **(ft. Nakama​.​, Alfredo Col​ó​n, Wesley Park, Zonkey):** How Far We've Come / ikeru (Album) \[ALEX\] ↑↑↑ \[OHNE ft.!\] - aber eigentlich war das gar nicht der Midi Neutron aus New York allein, sondern da waren ganz viele mit dabei und sind hier gefeatured, wie man so schön sagt, nämlich ↑↑↑ . Midi Neutron selbst ist ein US-Eastcoast Musiker, Beat-Macher und Producer und der sagt über sich: “Ich habe mal einen Käfer gegessen. Es hat nicht besonders gut geschmeckt, aber ich würde es wieder tun”. Ich kann das gar nicht einschätzen, wie viel philosophische Tiefe darin steckt, oder ob da überhaupt irgendwas drin steckt außer 6 Beinen vielleicht – aber das ist das Wenige, was man findet, wenn man schaut, wie er so drauf ist. Und damit wird es Zeit für… \[Bass\] aber ganz anders, als Ihr vielleicht denkt. Hier sind ↓↓↓ ## 04\. Fearful + Mtwn ft. Riko Dan: Careful (Moxina Remix) / BEYOND THE VEIL: REMIX WINNERS (EP / Maxi) Wow, oder! ↑↑↑ Fearful aus London und Mwtwn aus Belgien (dieses Land ist so klein, da muss man keine Stadt groß benennen) - die sind schon seit 2017 dabei, die Grenzen der Bassmusik auszuloten - und für ihr 2023er Album “Beyond der Veil” sind sie noch weiter von ihrer Komfort-Zone abgerückt und haben sich mit dem Londoner Grime MC Riko Dan zusammen getan, von dem diese Dancehall-artigen Vocals kommen. Dann gabs einen Remix-Wettbewerb und Moxina, den habt Ihr in dieser Sendung schon mal hören können, Moxina hat da geliefert – das ist die Neuentdeckung der Bass Szene des letzten Jahres, der kommt aus Taiwan und, das war deutlich zu hören, der bringt völlig neue rhythmische Strukturen und Tonscalen von da mit. Wir bleiben noch ein bisschen im Bass-Bereich aber noch mal ganz anders und ziemlich untyisch: Wir hören mal rein in ↓↓↓ ## 05\. Trois​-​Quarts (“Troi Gearch”) Taxi System: Vision (Ab 2:28) / Infini Serpent (EP) ↑↑↑ Das ist ein aufsteigender Star aus der französischen Bass-Szene, aber ich glaube, solcherlei Label sind dem Typen völlig egal. Der bedient sich allerlei Elemente aus der Bassmusik, aus der IDM und selbst aus dem Techno, um dann sein ganz eigenes Ding daraus zu kreieren. Und dementsprechend sagt er auch selbst: “Ich möchte wirklich diese Idee realisieren, organische Landschaften- und Atmosphären zu generieren, mit einem fast greifbaren, kantigem Sounddesign. Das Vermischen von synthetischen und akustischen Elementen eines Klangs ergibt neue Soundflavors, Artefakte oder gar Klangfehler. Mich macht diese Idee an, Klangbilder zu malen - ein fast schon psychedelisches Universum zu entwickeln. Auch in meinen Liveshows will ich genau da hin!” Soweit also “Troi Gearch” Taxi System aus Frankreich. Und wir bleiben in Frankreich, wir bleiben so verspielt und wir bleiben sogar bei jemanden, der ganz ursprünglich aus der Bass-Szene kommt, aber davon ist nicht mehr viel übrig, statt dessen gibt es Raum für Neues, Unerhörtes. Wir hören rein in… ## 06\. c\_c: ambient isotopy (bis 3:00) / Six Crossings (Album) \[ALEX\] Tut mir leid, die Zeit rennt, daher müssen wir mal drüber gehen, über ↑↑↑. Jedes Stück dieses Albums, das ist wirklich angesichts der Fülle von atomaren Events fast nicht zu glauben, jedes Stück wurde in einem einzigen Take aufgenommen. Das Album widmet sich zudem dem 2023 verstorbenen Jah Shakam, einem jameikanisch-britischem Soundsystem Betreiber, der sich - und wir erkennen hier Muster wieder, die auch schon bei “Troi Gearch” Taxi System auftauchen - mit den physischen Effekten von Musik beschäftigt hat – vom Erzeugen von Gänsehaut bis hin zum Zwang zu Tanzen. Dieser Geist lebt auch in C\_C - insbesondere seine Liveperformances sollen entsprechend spektakulär sein – weil sie eben *derart* auf die physische Kondition des Publikums zielen. Und damit sind wir in der zeitphysikalischen Hälfte angelangt von \[Tellerrand\]. Mein Name ist Herr Irrtum! und in der nächsten halben Stunde gehts hier weiter mit… * KrautTechnoides aus Kiev * Tapeloopmusik aus London * Experimentellelektronisches aus Dresden * hefty Hardcore, ebenfalls aus Dresden * experimental Rock aus Los Angeles * imaginäre Filmmusik * alternative Songwriter Kram aus Liverpool Gerade hatten wir extrem experimentellen Bass (der eigentlich kein Bass mehr war)--- jedenfalls Bass und auch der eher indirekte Vorgänger DuB und dessen Vorläufer Raggae sind dabei ja nicht die einzigen Musikrichtungen, die etwas mit Physis und Psyche machen - Kraut konnte das schon in den frühen 70ern. Und auch wenn das folgende Stück nicht direkt was mit Kraut zu tun hat, erinnert es doch ein bisschen daran - hier ist ↓↓↓ ## 07\. SITKA: 2AM Long Gone / 2AM Long Gone (Single) ↑↑↑ Was für ein cooles Stück. Sitka ist eigentlich Oleksiy aus Kiew den wir 2022 schon mal hier im Programm hatten. Zum Glück geht es ihm den Umständen in Kiew entsprechend gut und er macht unverdrossen weiter Musik und die wird m.E. besser und besser (nicht, dass sie schon mal in irgendeiner Form schlecht gewesen wäre). Normalerweise, so erzählte er mir, nimmt er seine Tracks in einem Take von seinem Modularen Synthi-System aus auf. Dieser Track aber ist anders, so anders, dass Oleksiy im Sommer 2023 mittendrin erstmal eine Pause eingelegt hat und erst jetzt weiter gemacht hat damit. Anders insofern, als dass er Layer für Layer aufgenommen hat, und ganz zum Schluss kam noch dieses Saxophon-Sample dazu, was man kaum als solches erkennt. Das fühlte sich für ihn sofort so an, als hätte es Beine bekommen, darum hieß der Track auch für eine Weile sinngemäß “Sax on Legs”, aber seine Frau hatte dann den finalen Titel vorgeschlagen. Eben “2AM Long Gone”. Unter dem Namen Sitka macht Oleksiy übrigens nicht nur Musik, er verkauft auch super kreative wilde EuroRack-Synthimodule darunter, die er selbst kreiert. Ohne Zweifel super kreativ ist auch Howlround aus London. Wir hören ihn jetzt mit ↓↓↓ ## 08\. Howlround: Night Call, Collect / A Loop Where Time Becomes. Rare & Unreleased Recordings 2012 - 2017 (Album) ↑↑↑ Howlround aus London wird auch als Tape-Magier bezeichnet. Alles was er macht, basiert auf Tapeloops, die er auf teilweise meterlangen Schleifen über die Bühne spannt, um damit zu arbeiten. Daher kommen dann auch diese Space-Echo-artigen Effekte – das Roland Space Echo basiert ja intern ebenfalls auf einer Bandschleife. Und das ist auch der Grund, warum Howlround, der auch manchmal als “Robin the Fog” agiert, jegliche Effektgeräte, ob digital oder analog, komplett ablehnt. Tape or Die, scheint seine Devise zu sein. In der Regel sind 2 Spulentonbandmaschinen und ein Mikrofon alles, was er braucht, um praktisch aus der ihn umgebenden Luft Musik zu machen (ok, manchmal bilden auch Field Recordings eine Basis). Absolut einzigartig und seltsam schön, finde ich. Nicht ganz so purtanisch agiert der folgende junge Mann aus Dresden. Hier ist ## 09\. bronko taubenheim: hippocampus sp. / kollektion (Album) ↑↑↑ Hippocampus sp. ist tatsächlich eine Seepferdchenart, hätte er das sp. weg gelassen, dann würde dieser Name auch eine Region unseres Gehirns kennzeichnen! Mehr kann ich Euch zu dem Künstler nicht sagen, da das Dresdner Liebhaber-Plattenlabel “Copyshop”, die auf jedem Cover ein Motiv mit in irgendeiner Form auf der Ecke stehenden Quadraten haben, NULL UND NICHTS zu seinen Künstler:innen sagt. Und nicht auf meine Mails antworten (wobei das an mir liegen kann, ich habe nur 2 Tage Zeit gelassen). Bei der folgenden Band, ebenfalls aus Dresden, habe ich es nicht mal mit einer Mail versucht, weil es keine Mailadresse gibt. Nur die unsozialen Netzwerke Rentner-Facebook und Zuckerberg-Instagram werden von der Band als Kontakt angegeben – und sorry, da werde ich mich NIEMALS aufhalten. Ich verstehe echt nicht, wie man als Band mit einer stabilen linken politischen Haltung wie die folgende… NICHT die Empathie aufbringen kann, dass Menschen, die wirklich antikapitalistisch denken, WEDER etwas mit Facebook noch mit Instagram zu tun haben wollen. Das muss auch was mit der Gehirnwäsche junger Leute in Sachsen zu tun haben, anders kann ich das nicht erklären. Komplett lost. Egal, hier sind sie und sie werden zur Strafe nicht von mir sondern von einem treuen Hörer dieser Sendung angesagt: Dieter, bitteschön: ## 10\. Nickelcrack: Ronny & Mike / ZementXSpritze (EP) \[ALEX\] Ja, vor dem Jingle, das waren tatsächlich ↑↑↑ . Mehr, wie gesagt, weiß ich nicht und werde es wohl nie erfahren, wenn der einzige Kontaktweg das grottige Instagram oder Ü50-Facebook ist. Mensch, hab ich nen Hals. Da helfen nur noch ↓↓↓ ## 11. Church Chords (ft. Genevieve **“Schünnevjäv” **Artadi, Ricardo Dias Gomes, Elliot Bergman & Benjamin Lazar Davis): Recent Mineral / elvis, he was Schlager (bis 3:20) (Album) Yeah, ↑↑↑ - Church Chords, das ist eigentlich der Multi-Instrumentalist Stephen Buono, der zudem auch noch ein Producer in Los Angeles ist. Und weil das halt ein einzelner Typ ist bei Church Chords, holt er sich für jeden Track auf diesem Album “Elvis, he was Schlager” eben Musiker:innen, die dann eben Bass oder Keyboards spielen, während Buono selbst sich meist am Schlagzeug aufhält und am Ende eben alles produziert. Herausragend war in dieser Auslese hier natürlich die Sängerin Genevieve “Schünnevjäv” Artadi - die ist tatsächlich recht bekannt; bewegt sich stilsicher in einer ganzen Reihe von Genres: Funk, Elektro Pop, Jazz, Triphop und kollaboriert schon mal mit Acts wie Snarky Puppy - eine absolute Powerfrau. Und damit gehen wir noch mal nach England und hören die seltsamen ↓↓↓ ## 12\. THE HOLOGRAM PEOPLE: Worst Case Scenario / ISOLA DEI MORTI VIVENTI Album / imaginary OST) ↑↑↑ Erstmal ISOLA DEI MORTI VIVENTI (der englisch Titel lautet “Island of the Living Dead”) ist ein italienischer Low Budget Zombie-Horror Film von Bruno Mattei, der dafür bekannt ist, gern mit weiblichen Zombies in besonders *zerfetzten* Lumpen zu arbeiten. \[Räusper\]. The Hologram People waren mit dem faktischen Soundtrack des Filmes gar nicht einverstanden und haben dann kurzerhand ihren eigenen imaginären Soundtrack dafür gemacht und wie ihr gehört habt, der ist richtig gut geworden. Das machen die Hologram People übrigens des Öfteren: Die nehmen sich schlechte B-Movies vor und machen dazu einen “richtigen” Soundtrack, der den jeweiligen Film regelrecht aufwerten würde. Dahinter verbergen sich Jonathan Parkes and Dom Keen aus England. Die interessieren sich außerordentlich für West Coast Psychedelic , Lalo Schifrin und die Gegenkultur der späten 60er und frühen 70er. Damit ausgestattet, produzieren sie dann diesen groovigen Space-Jazz Sound, den Ihr gerade gehört habt. Und damit sind wir am Ende von RADIO IRRTUM! - mein Name ist Herr Irrtum! und Ihr findet mich sowie die Playlist zu dieser Sendung stabil im Fediverse, dem *freien* sozialen Netzwerk unter [*https://s.basspistol.org/@herr\_irrtum*](https://s.basspistol.org/@herr_irrtum) . Aber einen Song spielen wir zumindest noch an und der kommt von King Hannah, dem Duo aus Liverpool, also Craig Whittle und Hannah Merric, von einer Platte, die von niemand Geringerem als Ali Chant produziert wurde (der kümmert sich sonst um Leute wie PJ Harvey), und die erst am 31. Mai (!) rauskommen wird. Ich wünsche denen sehr, dass sie durch die Decke gehen, weil sie wirklich seit 2020 gutes Zeug machen. Hier kommt also ↓↓↓ ## 13\. King Hannah: Big Swimmer / Big Swimmer (Single / Album Preview) Danke Euch fürs Zuhören, gehabt Euch wohl und vielleicht bis zum nächsten Mal, Euer Herr Irrtum!